Haus der Kunst kündigt einem Mitarbeiter wegen seiner Scientology-Mitgliedschaft


Symbolbild für Kunst – Bild von pikisuperstar auf Freepik

Ein Mitarbeiter, der 22 Jahre am Münchener Haus der Kunst tätig war, wurde alleine wegen seiner Scientology-Mitgliedschaft gefeuert. Ich halte das für einen Skandal und habe deshalb die Fakten zu diesem Fall recherchiert und zeige auf, dass man sich gegen solche berufliche Diskriminierung juristisch erfolgreich wehren kann!

Scientology im Haus der Kunst?

Dieser Fall im Haus der Kunst hatte einen ziemlichen Wirbel in den Medien erzeugt. Zeitungen berichteten von einer Infiltration und Unterwanderung im Haus der Kunst durch Scientology. Doch was war tatsächlich passiert?

Wie ich aus der Süddeutschen Zeitung erfahren habe, hat das Haus der Kunst seit 1995 einen externen Dienstleister als Personalverwalter beschäftigt, der Scientology-Mitglied ist.

Ins Rollen kam die Angelegenheit durch die bayerische SPD Landtagsabgeordnete Isabell Zacharias. In einem veröffentlichten Interview der Welt vom 31.07.2017 berichtet sie, dass sie eine verklausulierte Anfrage an den Freistaat Bayern gestellt habe. Es fiel auf, dass keiner der 100 Mitarbeiter: innen die „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ unterschrieben hätte. Und als man dann darauf drängte, hat sich ein Mitarbeiter als Scientologe geoutet (der Personalverwalter); ein andere hätte seine Mitgliedschaft bestritten.

Der Scientologe muss gehen

Es dauerte nicht lange und der bayerische Verfassungsschutz schaltete sich ein. Das Haus der Kunst, welches öffentliche Zuschüsse enthält, war wohl so unter Druck geraten, dass es schließlich den Scientologen gefeuert hat.

Der gekündigte Personalverwalter ließ sich das nicht gefallen und klagte gegen die Münchener Kultureinrichtung vor dem Arbeitsgericht München auf Wiedereinstellung und Abfindung.

Wer unterwandert wen?

Bei genauer Betrachtung des Sachverhalts fällt auf, dass unter Scientology-Unterwanderung nicht ungesetzliches Handeln verstanden wird, sondern die bloße Ausübung eines Jobs von Scientologen beim Staat oder Wirtschaft. Alleine dieser Umstand ist eine perfide Aushöhlung des Grundrechts auf Berufsfreiheit!

Interessant ist auch, dass gerade der Verfassungsschutz, der diese absurden Unterwanderungsvorwürfe aufrechterhält, selber bestrebt ist, Scientology zu unterwandern. Natürlich nur zum „guten Zweck“. In Berlin flog ein V-Mann des Verfassungsschutzes auf, der bewusst in Scientology eingeschleust wurde. Er wurde später als höchst dubioser Ex-Stasi-Spitzel enttarnt. Auch eine Anwerbung eines Scientologen als informeller Mitarbeiter für den Verfassungsschutz scheiterte. Das Verwaltungsgericht Berlin hat dieser Praxis des Berliner Verfassungsschutzes einen Riegel vorgeschoben. (Urteil vom 13. Dez. 2001 – VG 27 A 260.98)

Münchner Arbeitsgericht zu Scientology-Fragebogen

Bereits 1996 hatte die bayerische Staatsregierung einen Scientology-Fragebogen für den öffentlichen Dienst eingeführt. Bewerber sollten minutiös ihre Beziehung zu Scientology offenlegen. Doch es sind zwei Fälle bekannt, die sich vor dem Münchener Arbeitsgericht gegen dieses Auskunftsbegehren erfolgreich gewährt haben. Das Gericht entschied, dass die betroffenen Personen diesen Scientology-Fragebogen nicht ausfüllen müssen. (Urteil vom 24.10.2000 Az. 21 Ca 13754/99 und 05.04.2001 Az. 23 Ca 1178/00).

Ex-Mitarbeiter erhält Abfindung

Natürlich hat das Haus der Kunst nicht vor Gericht argumentiert, dass sie dem externen Dienstleister wegen seiner Zugehörigkeit zu Scientology gekündigt habe, sondern sie beriefen sich darauf, dass der Mann selbständig sei und man nicht verpflichtet ist, ihn weiter zu beschäftigen. Das Münchener Arbeitsgericht sah das aber anders. Schließlich hatte der Personalverwalter sein Büro in den Räumlichkeiten des Hauses und benutzte auch die Ausstattung.

Schließlich einigten sich beide Parteien vor Gericht auf einen Vergleich. Laut dem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 05.04.2019 zahlt das Haus der Kunst dem Ex-Mitarbeiter eine Abfindung von 110.000 € für 25 Jahre Betriebszugehörigkeit.

Ich bin der Ansicht, dass nach heutiger Rechtsprechung eine Kündigung wegen einer Scientology-Mitgliedschaft keinen Bestand hätte. Schon 2004 hatte das Bundesverwaltungsgericht im Fall einer klagenden Scientologin festgestellt, siehe (Zitat aus dem Volltext):

„Die Klägerin kann für ihre Betätigung als Scientologin den Schutz des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses nach Art. 4 Abs. 1 GG in Anspruch nehmen… Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, derartige Aussagen der scientologischen Lehre seien geeignet, den Begriff des Glaubens oder der Weltanschauung zu erfüllen.“ 

In einem anderen Fall hatte das Bundesverwaltungsgericht am 06.04.22 entschieden, dass die Landeshauptstadt München einer Scientologin ein E-Bike Förderung nicht verweigern darf, weil sie eine „Schutzerklärung in Bezug auf die Lehre von L. Ron Hubbard/Scientology“ nicht abgegeben hat. Der Pressemitteilung vom 06.04.2022 ist des weiteren zu entnehmen:

„Wird eine solche Erklärung verlangt und an deren Verweigerung der Ausschluss von der Förderung geknüpft, greift dies gezielt in die von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gewährleistete Religions- und Weltanschauungsfreiheit ein. Der Eingriff ist schon mangels einer gesetzlichen Grundlage verfassungswidrig. Schließlich verstößt die Vorgehensweise der Beklagten gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG).“

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