Seit Jahren gibt es immer wieder falsche Verdächtigungen, dass bestimmte Firmen zu Scientology gehören. Als erstes großes Unternehmen musste die Warsteiner Brauerei 1995 unter diesem Gerücht leiden. Im Jahr 2000 hat der Konzern Microsoft sein Fett abgekommen; danach folgten Lidl, Kaufland und große Buchhandlungsketten wie Hugendubel und Thalia.
Aber auch Multikonzerne wie Herbalife, Life Plus, Juice Plus, die Nahrungsergänzungsmittel im Strukturverbrieb an die Menschen bringen, wurden nicht verschont.
Wenn es sich bei den oben genannten „Multis“ nicht um Scientology-Firmen handelt, dann stellt sich zwangsläufig die Frage, welche Firmen denn tatsächlich dazugehören. Als Blogger habe ich zum Thema einige interessante Fakten recherchiert, die ich hier präsentieren möchte.
Scientology eine Firma oder Gewerbe?
Zuerst wäre jedoch interessant zu erörtern, ob Scientology ein Wirtschaftsunternehmen ist, welches unter dem Deckmantel einer Religionsgemeinschaft Gewinne erwirtschaftet und sich bestimmte Personen daran bereichern. So eine Art „Kirchen-AG“, die milliardenschwere Grundstücke und Immobilien besitzt und dabei Steuern spart?
Das Bundesverwaltungsgericht hat am 6. November 1997 in dem Verfahren, welches den Verein „Scientology Neue Brücke e.V.“ betrifft folgendes festgestellt:
„ … dass ein Verein keinen Wirtschaftsbetrieb unterhält, soweit er seinen Mitgliedern Leistungen anbietet, in denen sich die Vereinsmitgliedschaft verwirklicht und die unabhängig von den mitgliedschaftlichen Beziehungen nicht von anderen Anbietern erbracht werden können. Dann liegt nämlich keine unternehmerische Tätigkeit vor. Dies ist beim Kläger (Scientology Kirche) der Fall, wenn das nach seiner Satzung als „geistliche Beratung“ zu verstehende sog. Auditing und die Seminare und Kurse „zur Erlangung einer höheren Daseinsstufe“ von gemeinsamen Überzeugungen der Mitglieder getragen sind, von denen sie nicht gelöst werden können, ohne ihren Wert für den Empfänger zu verlieren…“.
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entschied am 12. Dezember 2003, dass der „Scientology Gemeinde Baden-Württemberg e.V.“ nicht die Rechtsfähigkeit entzogen werden kann, weil sie keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält.
Welche Firmen gehören zu Scientology in Deutschland?
28 Abgeordnete wollten es genau wissen und stellten am 10. Oktober 2000 eine Kleine Anfrage (29 Fragen!) bezüglich Scientology an die deutsche Bundesregierung.
Die Bundesregierung antwortet umfangreich; vor allem die Antwort zum Punkt 26 ist interessant, weil hier beantwortet wird, welche Firmen zu Scientology in Deutschland gehören.
Frage: 26. Wie viele Wirtschaftsunternehmen kontrollierten die SO und ihre Unterorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland direkt durch Kapitalbeteiligung und Verträge und indirekt durch Führungspersonal, die der SO oder ihren Unterorganisationen angehören?
Antwort: Die Scientology-Organisation betätigt sich in Deutschland mit den organisationseigenen Verlagsunternehmen „Theta Books GmbH“ und „New Era Publications Deutschland GmbH“.
Eine Einflussnahme der Scientology-Organisation in der Wirtschaft konnte bisher nicht festgestellt werden.
Wie man sieht gibt es höchsten 2 Unternehmen (Verlag und Buchladen), die zu Scientology in Deutschland gehört. Ein eher marginaler Besitz, wenn man sich vor Augen führt, dass die beiden Amtskirchen in Deutschland neben millardenschweren Immobilien- und Grundbesitz, Kirchensteuereinnahmen und ca. 19 Milliarden staatlichen Zuwendungen auch einige Verlage, Brauereien und Banken besitzen. Siehe Artikel der FAZ vom 20.10.2013 Kirchenfinanzen: Wie reich Deutschlands Kirchen wirklich sind. Wer sich lieber etwas anschaut findet unten ein YouTube-Video. Es handelt sich um die Panorma-Sendung (ARD) vom 17.10.2002 über die Steuersubventionen der deutschen „Amtskirchen“.
Was sind jetzt also die Scientology-Firmen, von den immer wieder in den Medien berichtet wird?
Hochrangige Scientologen in wichtigen Firmen in Deutschland?
Und wie sieht es mit unseren Scientology-Experten aus… vielleicht wissen Sie welche Firmen Scientology gehören? Carsten Frerk, Journalist und ehem. Redaktionsleiter des Humanistischen Pressedienstes (2006 – 2013), wollte es genau wissen und besuchte die Expertin Ursula Caberta, die damalige Leiterin der Arbeitsgruppe Scientology in Hamburg, In dem Artikel Wer ist der Igel, wer der Hase? vom 30.07.2008 analysiert er die Hinergründe zu der Kontroverse um Scientology in Deutschland und schreibt über seinen Besuch bei Frau Caberta. Er fragt sie nach dem Einfluss von Scientologen in der Wirtschaft: „Können Sie mir bitte einen Scientologen nennen, der im Vorstand eines börsennotierten deutschen Unternehmens sitzt?“ Antwort: „Sie glauben doch wohl etwa nicht, dass ich ihnen vertrauliche Informationen ausplaudere! Es reicht mir.“ Es bedarf eines mehrmaligen Nachfragens bei der Pressestelle der Behörde des Inneren, bis die schriftlich eingereichten Fragen zurückgeschickt werden. Standardantwort auf alle Fragen ist: „Bereits bei dem Gespräch erläutert.“
Schutzerklärung gegen „Scientology-Firmen“ gesetzeswidrig
Ursula Caberta hielt sich für ganz schlau und hatte eine Schutzerklärung gegen Scientologen, die unternehmerisch tätig sind, im Internet propagiert. Doch Caberta hatte den Kürzeren gezogen. Das Bundesverwaltungsgericht hat am 15. Dezember 2005 entschieden, dass der Hamburger Innensenat keine Erklärung zum Schutz vor Scientologen an Unternehmen weitergeben darf. Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts (Menschenrechtsbüro).
In seiner Urteilsbegründung stellt das höchste Verwaltungsgericht außerdem fest:
Die Klägerin kann für ihre Betätigung als Scientologin den Schutz des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses nach Art. 4 Abs. 1 GG in Anspruch nehmen… Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, derartige Aussagen der scientologischen Lehre seien geeignet, den Begriff des Glaubens oder der Weltanschauung zu erfüllen.
Siehe vollständige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG 7 C 20.04) vom 15. Dezember 2005.
Verfassungsschutz zahlt Scientology-Mitglied Schadensersatz
Passend zur Themaik wollte ich noch auf ein Urteil des Landgericht Köln (Az. 5 O 267/10) hinweisen. Der Kölner Stadtanzeiger berichtet am 28.09.2011, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz einem Unternehmer, der Scientologe ist, 4.400 Euro Schadensersatz zahlen muss. Was war passiert? Ein Unternehmer sollte bei der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland eine Beschallungsanlage in einem Stadtion installiern. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte jedoch beim Bundeskriminalamt (BKA) im Rahmen eines Akkreditierungsverfahrens die Scientology-Mitgliedschaft dieses Unternehmers beanstandet, kurz danach wurde der Auftrag dieser Person entzogen.
Spiegel-Artikel – Kapert Scientology Firmen in Deutschland?
Der Spiegel hat eine Reihe von Artikeln zu diversen Verschwörungstheorien veröffentlicht; darunter auch Verschwörungstheorien der Wirtschaft: Wie Scientology angeblich Konzerne kapert vom 30.09.2012 darin geht der Verfasser der Verschwörungstheorie der „Scientology Firmen“ auf den Grund. Hat Scientology Firmen und Unternehmen heimlich unterwandert und übernommen? Aber lesen Sie selbst; die Fakten sprechen für sich selbst und sind ernüchternd.
Super Fakten und dazu sehr aufschlussreich dargestellt.